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Nachdem noch vor wenigen Monaten für das Pflegepersonal geklatscht wurde und die Politik ihr Versagen durch Prämien zu kaschieren versuchte, gibt es nun die „Impfpflicht-Klatsche“ für alle in Gesundheitseinrichtungen Tätige. Ab dem 15. März 2022, so § 20a Abs. 1 Satz 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG), müssen alle im Gesundheitswesen tätigen Personen geimpft oder „genesen“ sein, sonst können sie dort nicht weiterarbeiten. Diesen Eindruck hinterlässt jedenfalls die Norm. Aber ist das tatsächlich so? Die Antwort lautet: Nicht unbedingt. Die Norm hat eine Hintertür. Die Untersagung der weiteren Tätigkeit ist als „Kann-Regelung“ ausgestaltet.
A. Einleitung
Mit der in § 20a IfSG geregelten umfassenden Impfpflicht im Gesundheitswesen schafft der Gesetzgeber gerade für die vulnerablen Gruppen ein hohes Risiko, deren Schutz er doch vermeintlich bezweckt. Er riskiert eine hunderttausendfache medizinische, therapeutische und pflegerische Unterversorgung, Verelendung und letztlich auch Todesfälle. Laut einem Bericht des Bayerischen Rundfunks vom 20. Dezember 2021 führen schon jetzt bereits wenige Kündigungen dazu, dass Träger von Pflegeeinrichtungen im Raum Schweinfurt (AWO, Caritas und Diakonie) „noch in dieser Woche eine sogenannte Überlastungsanzeige an die Pflegekasse stellen [wollen], um sich nicht strafbar zu machen. Trotz eigener Impfangebote in den Einrichtungen gebe es in manchen Einrichtungen eine Impfquote von nur 70 Prozent bei den Pflegekräften.“
Quelle: https://www.br.de/nachrichten/bayern/impfpflicht-kuendigungen-bei-pflegeeinrichtungen-in-main-rhoen,Ss8nY5u (abgerufen am 24. Dezember 2021, 18:22 Uhr)
Die Impfpflicht wirkt wie ein Flammenwerfer in einem sowieso schon personell und qualitativ „ausgetrockneten“ Gesundheitswesen. Und sie betrifft nicht etwa nur das medizinische oder Pflegepersonal in Krankenhäusern und Altenheimen. In einer langen Aufzählung werden in § 20a Abs. 1 Satz 1 IfSG alle Einrichtungen und Unternehmen des Gesundheitswesens erfasst, die auch nur im Entferntesten etwas mit Geburt, Heilpädagogik, medizinischer Behandlung, Betreuung, Krankheit, Behinderung oder Pflege zu tun haben. Selbst die Frühförderung von Kindern, Beförderungsdienste, Assistenzleistungen für behinderte Menschen und vieles mehr werden hiervon erfasst. Und es sind nicht etwa nur die Personen betroffen, die eng mit den wirklich oder vermeintlich vulnerablen Gruppen arbeiten, sondern alle Beschäftigten, auch z.B. alle Bürokräfte (Wo soll hier das erhöhte Ansteckungsrisiko liegen?), die Ehrenamtlichen (viele Altenheime werden ohne diese zu Verwahranstalten), die Friseure, Fußpfleger, Ergotherapeuten, Logopäden, Physiotherapeuten, Kantinenpersonal, Medizintechniker usw. Daneben trifft es auch die angestellten und selbständigen Ärzte und ihr Personal.
Aber auch, wenn in § 20a Abs. 1 Satz 1 IfSG mit der Formulierung: „Folgende Personen müssen ab dem 15. März 2022 entweder geimpfte oder genesene Personen sein“ eine unausweichliche Pflicht formuliert zu sein scheint, tritt bei einem Verstoß hiergegen keinesfalls automatisch eine Rechtsfolge bezüglich der Tätigkeit ein. Wie zu zeigen sein wird, trifft die Arbeitgeber keineswegs automatisch die Pflicht, bewährtes Personal zu entlassen. Auch die Betroffenen müssen von sich aus zunächst nicht tätig werden. Lediglich Neueinstellungen von Ungeimpften verhindert der Gesetzgeber mit einer Bußgeldandrohung ab dem 16. März 2022 wirksam. Vorher sind sie aber noch möglich. Umso wichtiger dürfte es vielen Arbeitgebern sein, vorhandenes Personal nicht zu verlieren, zu schützen und gegen das übergriffige Gesetz zu unterstützen.
Was es mit der „gesetzlichen Hintertür“ auf sich hat, darüber klärt dieser Beitrag auf. Es folgt zunächst unter B. eine Zusammenfassung der Ergebnisse in Spiegelstrichen. Unter C. wird ein Überblick über die Regelungstechnik des § 20a IfSG gegeben und es werden die zuvor dargestellten Ergebnisse begründet. Anschließend werden unter D. arbeitsrechtliche und unter E. sozialrechtliche Fragen angesprochen.
B. Zusammenfassung der Ergebnisse vorab
Vorbemerkung: Es sollen hier niemandem falsche Hoffnungen gemacht werden. Wie im Folgenden gezeigt wird, eröffnet der Gesetzestext einen Ausweg aus der drohenden Gesundheitskatastrophe. Dieser Ausweg wird von der Politik verschwiegen, da sein Bekanntwerden den Widerstand gegen die Impfpflicht stärken könnte. Daher wird die entsprechende gesetzliche Regelung hier als „Hintertür“ bezeichnet. Wie bei einer wirklichen Hintertür könnte diese aber verschlossen sein oder versperrt werden, wenn die Politik dies will und die Gesundheitsämter entsprechend angewiesen werden. An der Existenz dieser Hintertür und der Möglichkeit, mit ihrer Hilfe die freie Impfentscheidung der im Gesundheitswesen Tätigen zu verteidigen, ändert diese Möglichkeit nichts.
Die gesetzliche Situation ist die Folgende:
- Unternehmen und Einrichtungen, die ihre Beschäftigten und die sonst bei ihnen Tätigen unabhängig von ihrem Impfstatus weiterbeschäftigen wollen, können dies zunächst ohne Bußgeldrisiko und ohne gegen ein gesetzliches Verbot zu verstoßen, auch über den 16. März 2022 hinaus tun. Sie müssen lediglich unverzüglich nach Ablauf des 15. März 2022 an die zuständige Behörde melden, welche bei ihnen tätige Personen ggf. die erforderlichen Nachweise (Impf- oder Genesenennachweis oder Impfunfähigkeitsbescheinigung) nicht vorgelegt haben.
- Ein Verbot, weiter der Tätigkeit nachzugehen, greift für diese Personengruppe erst und nur dann ein, wenn das Gesundheitsamt nach einem zweistufigen Verfahren gegenüber dem Betroffenen, der nicht geimpft oder genesen ist, ein konkretes Betretungsverbot ausspricht. Erst dieses führt dazu, dass der Betroffene seine Arbeitsleistung nicht mehr erbringen oder seine Tätigkeit nicht mehr ausüben kann. Erst dann ist es nicht mehr zulässig und mit Bußgeld bedroht, Betroffene weiter einzusetzen.
- Dieses Tätigkeits- oder Betretungsverbot ergeht aber nicht automatisch, ganz im Gegenteil: Anders, als dies in der Öffentlichkeit suggeriert wird, tritt ein solches Verbot nicht als gesetzliche Folge einer fehlenden Immunisierung ein. Das Gesundheitsamt „kann“ diese Folge lediglich aussprechen, es muss es nicht tun (§ 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG).
- Ist zum Beispiel die Funktionsfähigkeit der Pflegeeinrichtung, des Unternehmens, der Arztpraxis, der Versorgung der Bevölkerung, der Rehabilitation usw. bedroht, könnte es auch rechtlich möglich oder sogar geboten sein, gerade kein Betretungsverbot auszusprechen.
- Die Einrichtungen und Unternehmen können die bei ihnen Tätigen sowohl gegenüber dem Gesundheitsamt als auch im möglichen Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht unterstützen, indem sie die drohenden Folgen eines etwaigen Betretungsverbots für ihren eigenen Betrieb und für die Versorgung ihrer Klienten und der Bevölkerung darstellen.
Außerdem gilt:
- Bis zum 15. März 2022 können Arbeitgeber auch weiter nicht geimpfte oder genesene Personen als Mitarbeiter einstellen oder im Unternehmen oder der Einrichtung tätig werden lassen. Für diese Personengruppe gilt dann das Vorgenannte.
- Eine gesetzliche Einschränkung besteht lediglich für Personen, die „ab dem 16. März 2022“ in dem Unternehmen oder der Einrichtung „tätig werden sollen“ (§ 20a Abs. 3 IfSG). Soll ab diesem Datum jemand neu in der Einrichtung oder dem Unternehmen tätig werden, setzt dies die Vorlage eines Immunitätsnachweises voraus. Personen, die hierüber nicht verfügen, dürfen nicht tätig werden. Für diesen Fall gibt es auch eine Bußgeldandrohung in § 73 Abs. 1a Nr. 7g IfSG.
- Es spricht vieles dafür, dass die beschriebene Hintertür nicht versehentlich in das Gesetz „eingebaut“ wurde (siehe auch die Vorbemerkung vor dieser Zusammenfassung). Sie gibt die Möglichkeit, einerseits den Impfdruck zu erhöhen und andererseits die angedrohte Folge notfalls nicht umsetzen zu müssen. Abgeladen wird diese Verantwortung bei den Gesundheitsämtern (§ 20a Abs. 5 IfSG).
- Wenn die im Gesundheitswesen Tätigen ihre freie Impfentscheidung weiter einfordern und aufrechterhalten, könnten die Gesundheitsämter die gesetzliche Hintertür ihrer Ermessensentscheidung zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des Gesundheitswesens nutzen – wenn die Politik sie lässt.
C. Die Regelungstechnik des § 20a IfSG
Zu diesem Ergebnis, dass es keinen Automatismus im Falle einer Nichtimpfung gibt, führt eine Analyse des Aufbaus des § 20a IfSG. Die Norm unterscheidet nämlich zwischen den Personen, die bereits vor dem 16. März 2022 in den vom Gesetz betroffenen Einrichtungen oder Unternehmen tätig sind – dieser Fall ist in § 20a Abs. 2 IfSG geregelt – und den Personen, die in diesen Einrichtungen und Unternehmen ab dem 16. März 2022 tätig werden sollen. Diesen Fall regelt § 20a Abs. 3 IfSG. Nur im letztgenannten Absatz ist in den Sätzen 4 und 5 ein Verbot geregelt, dort beschäftigt (Satz 4) oder tätig (Satz 5) zu werden. Und nur zu dieser Vorschrift gibt es in § 73 Abs. 1a Nr. 7g IfSG eine Bußgeldvorschrift: „Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig … entgegen § 20a Abs. 3 Satz 4 oder Satz 5 eine Person beschäftigt oder in einer Einrichtung oder einem Unternehmen tätig wird.“
Eine solches Verbot und eine solche Bußgeldvorschrift fehlen für die schon vor dem 16. März 2022 „ungeimpft oder ungenesen“ Tätigen. Diese Personen, die in den Einrichtungen vor diesem Stichtag bereits tätig sind, treffen folgende Verpflichtungen:
- Sie müssen gemäß § 20 a Abs. 1 IfSG ab dem 15. März 2022 geimpft oder genesen sein (oder eine medizinische Impfunfähigkeitsbescheinigung vorweisen können). Ein Verstoß gegen diese Verpflichtung ist nicht mit einem Bußgeld bedroht, die Verpflichtung wird auch nicht anderweitig durchgesetzt (kein Zwangsgeld o.ä.).
- Die Betroffenen haben der Leitung der Einrichtung oder des Unternehmens (wenn nicht ausnahmsweise eine andere staatliche Stelle zum Empfänger bestimmt wird), den entsprechenden Nachweis bis zum Ablauf des 15. März 2022 vorzulegen (Abs. 2) und
- sie haben bei Ablauf der Gültigkeit des Nachweises einen neuen Nachweis vorzulegen (Abs. 4).
Was passiert, wenn die Pflichten nicht eingehalten werden?
- Es gibt keine Bußgeldnorm, die an die in Abs. 1 geregelte Impfpflicht anknüpfen würde, weder für die Einrichtungen und Unternehmen noch für die dort Tätigen. § 20a Abs. 1 IfSG beschreibt lediglich die „Impfpflicht“. Weder § 73 IfSG noch § 74 IfSG sehen eine entsprechende Bestrafung vor. Es gibt auch sonst keine Norm, die eine Erzwingung dieser Pflicht ermöglichen würde.
- Wenn kein Nachweis bis zum 15. März 2022 vorgelegt wird, muss die Leitung der betreffenden Einrichtung das Gesundheitsamt benachrichtigen (§ 21a Abs. 2 Satz 2). An die unterlassene Benachrichtigung knüpft eine Bußgeldvorschrift für den Arbeitgeber an, so dass er diese Meldung vornehmen muss (§ 73 Abs. 1a Nr. 7e IfSG). In Bezug auf Impfunfähigkeitsbescheinigungen gibt es diese Meldepflicht aber nur, wenn der Arbeitgeber Zweifel an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit des Nachweises hat. Hat er diese Zweifel nicht, bedarf es keiner Meldung. Auch bei Zweifeln an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit eines Impf- oder Genesenennachweises ist eine entsprechende Meldung erforderlich.
- Ebenso verhält es sich, wenn die Gültigkeit des jeweiligen Nachweises abläuft, §§ 20a Abs. 4 Satz 2, 73 Abs. 1a Nr. 7e IfSG.
Ein Bußgeld eines Arbeitnehmers oder anderweitig Tätigen ist bis zu diesem Stadium noch nicht vorgesehen.
Das bisher Gesagte führt zu der Schlussfolgerung: Bis hierhin gibt es keinen Grund, Arbeitnehmer oder sonst Tätige zu kündigen, freizustellen oder anderweitig auszuschließen.
Was passiert nach der Benachrichtigung des Gesundheitsamtes?
Dies ist in § 20 a Abs. 5 IfSG geregelt. Die in den jeweiligen Einrichtungen tätigen Personen müssen dem Gesundheitsamt auf dessen Anforderung den entsprechenden Nachweis vorlegen. Die Anforderung muss mit einer angemessenen Frist versehen sein (Satz 1). Erst nach diesem Zwischenschritt „kann“ das Gesundheitsamt ein Betretungs- oder Beschäftigungsverbot aussprechen. Die Dauer dieses Zwischenschritts hängt sicherlich maßgeblich von der Anzahl der Fälle und von den abzusehenden Auswirkungen auf das Gesundheitswesen ab.
Erst jetzt kann den Arbeitnehmer oder sonst Tätigen ein Bußgeld treffen und zwar dann, wenn er der Aufforderung des Gesundheitsamts nicht nachkommt oder aber, wenn er dessen Anordnung des Betretungsverbots/ Beschäftigungsverbots zuwider handelt. Das Gleiche gilt, wenn er die Anordnung einer medizinischen Untersuchung bei Zweifeln an einer Impfunfähigkeit nicht befolgt (73 Abs. 1a Nr. 7f und 7h IfSG).
Wenn Arbeitnehmer und Arbeitgeber sich einig sind, kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer oder sonst in seiner Einrichtung oder seinem Unternehmen Tätigen in diesem Verfahren im eigenen Interesse vielfältig unterstützen. Er kann insbesondere darstellen, aus welchen Gründen ein Betretungsverbot als unvertretbar erscheint, z.B. weil der Eintritt eines Pflegenotstandes droht oder der Tätige aus anderen Gründen unentbehrlich ist.
Hier ist beispielsweise an kleinere Krankenhäuser, ambulante Pflegedienste, Rettungsdienstleister oder Landarztpraxen zu denken. Bei allen diesen Unternehmen und Einrichtungen kann schon der Wegfall weniger Mitarbeiter (oder auch des selbständigen Arztes als solchem) eine Versorgungsnotlage herbeiführen.
Anders ist die Situation, wie eingangs gesagt, bei Personen, die gem. § 20 a Abs. 3 IfSG ab dem 16. März 2022 tätig werden sollen. Diese dürfen ohne den Nachweis nicht tätig werden.
D. Arbeitsrechtliche Hinweise
In Bezug auf bereits vor dem 16. März 2022 tätige oder beschäftigte Personen gibt es also für Arbeitgeber keinen Grund, diese aus eigener Initiative zu kündigen oder freizustellen, bevor vom Gesundheitsamt ein Betretungsverbot angeordnet wird. Sie können die Arbeitnehmer vielmehr aktiv dabei unterstützen, dass es zu dieser Anordnung nicht kommt. Wie ist es jedoch, wenn der Arbeitgeber, vielleicht sogar schon vor dem 15. März 2022 (zur Fristwahrung) eine Kündigung ausspricht? Ist er hierzu berechtigt? Im Ergebnis wird dies erst die Rechtsprechung zeigen. Nachfolgend deshalb nur der Versuch einer vorläufigen rechtlichen Einschätzung:
Kann ein Arbeitnehmer gekündigt werden, wenn das Gesundheitsamt nach dem 16. März 2022 ein Betretungsverbot ausspricht?
Ordnet das Gesundheitsamt nach dem 16. März 2022 ein Betretungsverbot wegen fehlender Impfung an, liegt beim Arbeitnehmer eine Leistungsunmöglichkeit vor, die, wenn der Arbeitnehmer sie nicht beheben möchte, einen Grund für eine personenbedingte Kündigung darstellen kann.
Eine hierauf gestützte ordentliche Kündigung wäre sozial gerechtfertigt i.S.v. § 1 Abs. 2 Kündigungsschutzgesetz (KschG). Erhebt der Arbeitnehmer gegen die Kündigung Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht, so ist folgende Besonderheit zu beachten: Grundlage der Leistungsunmöglichkeit ist ja das Betretungsverbot, das vom Gesundheitsamt als sog. Verwaltungsakt erlassen wurde. Es ist im Falle der Kündigungsschutzklage davon auszugehen, dass die Arbeitsgerichte nur auf das Vorliegen dieses Verwaltungsaktes des Gesundheitsamtes (Betretungsverbot) abstellen werden. Sie werden die Rechtmäßigkeit dieses Verwaltungsaktes nicht selber prüfen, sondern diese Überprüfung (bzw. die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Impfpflicht) dem Widerspruchsverfahren bzw. einem ggf. daneben einzuleitenden verwaltungsgerichtlichen Klageverfahren überantworten. Denn für das Klageverfahren gegen das Betretungsverbot als Verwaltungsakt sind ausschließlich die Verwaltungsgerichte zuständig.
Es ist daher zu empfehlen, gegen die Anordnung des Betretungsverbots durch das Gesundheitsamt vorzugehen und innerhalb der Frist Widerspruch dagegen einzulegen und Klage zu erheben. Ob gegen den Bescheid des Gesundheitsamtes zunächst Widerspruch einzulegen ist und sich das Klageverfahren dann ggf. anschließt oder ob gegen das Betretungsverbot direkt Klage zu erheben ist, ist in den Bundesländern unterschiedlich geregelt. Hier sollte die sog. Rechtsbehelfs- oder Rechtsmittelbelehrung beachtet werden, die am Schluss des Bescheides des Gesundheitsamtes abgedruckt ist.
Ist eine Kündigung auch schon vor der Anordnung eines Betretungsverbotes durch das Gesundheitsamt möglich?
Eine personenbedingte Kündigung ist nur dann gerechtfertigt, wenn eine Prognose gestellt werden kann, dass der Arbeitnehmer künftig nicht mehr in der Lage sein wird, seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Ob eine solche Prognose auch schon vor einer solchen Anordnung des Gesundheitsamtes gestellt werden kann, erscheint aus oben genannten Gründen zumindest zweifelhaft. Eine solche Kündigung aus personenbedingten Gründen wäre aus Arbeitgebersicht zumindest äußerst risikobehaftet.
Kann der Arbeitgeber schon vor der Anordnung eines Betretungsverbotes durch das Gesundheitsamt eine Kündigung auf „verhaltensbedingte Gründe“ stützen?
Vor einer Anordnung eines Betretungsverbots durch das Gesundheitsamt wird der Arbeitgeber eine Kündigung auch nicht auf verhaltensbedingte Gründe stützen können. Teilweise wird zwar diskutiert, ob schon vor dem 16. März 2022 ein Auskunftsrecht des Arbeitgebers darüber bestehen könnte, um zu erfahren, ob der Arbeitnehmer rechtzeitig Schritte eingeleitet hat, um seine Leistungsfähigkeit ab 16. März 2022 sicherzustellen. Damit einhergehend stellt sich die Frage, ob es vertragswidrig wäre, wenn der Arbeitnehmer diese Sicherung der Leistungsfähigkeit nicht rechtzeitig einleitet. Ungeachtet aller Unwägbarkeiten vertreten wir die These, dass nicht vor dem 16. März 2022 etwas als vertragswidrig sanktioniert werden kann, und zwar weder über eine Abmahnung noch durch eine verhaltensbedingte Kündigung, was nach dem 16. März 2022 und einer nachfolgenden Anordnung eines Betretungsverbotes durch das Gesundheitsamt nur zu einem personenbedingten Kündigungsgrund führen könnte. Die Weigerung, in eine Körperverletzung einzuwilligen, kann kein Vertragsverstoß sein.
Wer gegen die Kündigung vorgehen möchte, muss innerhalb von 3 Wochen ab Zugang der Kündigung Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht erheben.
E. Sozialrechtliche Hinweise
Muss ich mich jetzt arbeitslos melden, weil ich wahrscheinlich zum 15. März 2022 arbeitslos werde?
Nach § 38 Abs. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) sind Personen, deren Arbeitsverhältnis endet, verpflichtet, sich spätestens drei Monate vor dem Ende bei der Bundesagentur für Arbeit persönlich arbeitslos zu melden. Eine Verletzung dieser Pflicht führt zu einer Sperrzeit beim Arbeitslosengeld I für eine Woche, § 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7, Abs. 6 SGB III. Wer nicht bereits drei Monate im Voraus vom Ende seines Arbeitsverhältnisses weiß, hat sich innerhalb von drei Tagen nach Kenntnis des Beendigungszeitpunkts bei der Arbeitsagentur zu melden. Für eine solche Kenntnis ist die bloße Möglichkeit, demnächst gekündigt zu werden, aber nicht ausreichend. Erst wenn das genaue Datum bekannt ist, liegt diese Kenntnis vor.
Da gegenüber Personen nach § 20a Abs. 2 IfSG, die bereits in von der Impflicht umfassten Einrichtungen tätig sind, erst ein Betretungsverbot durch das jeweilige Gesundheitsamt ausgesprochen werden muss und erst nach diesem auch arbeitsrechtliche Konsequenzen drohen, s.o., kann von einer Kenntnis des Beendigungszeitpunkts noch nicht gesprochen werden. Erst wenn die Kündigung oder der Aufhebungsvertrag da sind, ist auch der Beendigungszeitpunkt bekannt und die Arbeitslosmeldung vorzunehmen (näher zur Kenntnis: Bayrisches Landessozialgericht, Urteil vom 27.01.2015, L 10 AL 382/13 – frei im Netz abrufbar unter sozialgerichtsbarkeit.de).
Habe ich Anspruch auf Arbeitslosengeld I und/oder Arbeitslosengeld II?
Ein Anspruch auf Arbeitslosengeld I (Versicherungsleistung von der Bundesagentur für Arbeit) besteht bei folgenden Voraussetzungen:
- Arbeitslosigkeit,
- persönliche Arbeitssuchendmeldung,
- Erfüllung der Anwartschaftszeit.
Zu Punkt 1
Arbeitslosigkeit kann auch bestehen, wenn das Arbeitsverhältnis nicht beendet wurde, aber eine Arbeitsleistung und vor allem der Arbeitslohn nicht mehr erbracht werden. Dieser Fall liegt zum Beispiel auch vor, wenn durch das Gesundheitsamt ein Betretungsverbot ausgesprochen wird und die Arbeitsleistung nicht mehr erbracht werden kann, der Arbeitgeber aber nicht kündigt, sondern z.B. den Arbeitnehmer nur unentgeltlich von der Arbeitsleistung freistellt.
Zudem ist es auch unerheblich, ob der gelernte Beruf noch ausgeübt werden kann oder darf. Arbeitslos ist, wer dem Arbeitsmarkt allgemein zu Verfügung steht und der Arbeitsmarkt bietet auch Möglichkeiten außerhalb von Einrichtungen, die unter § 20a Abs. 1 IfSG fallen. Allerdings müssen dann auch Vermittlungsvorschläge in ungelernte Tätigkeiten (Helfertätigkeiten) als zumutbar hingenommen werden, wenn in den gelernten Beruf nicht vermittelt werden darf.
Zu Punkt 2
Dazu s.o.
Zu Punkt 3
Die Anwartschaftszeit ist erfüllt, wenn innerhalb der letzten 30 Monate mindestens zwölf Monate lang ein Arbeitsverhältnis mit Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung bestand.
Wer diese Voraussetzungen nicht erfüllt oder wer nicht ausreichende Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung erhält, hat Anspruch auf Arbeitslosengeld II vom zuständigen Jobcenter (sog. Hartz IV-Leistung). Diese besteht unabhängig vom Grund der Bedürftigkeit und sie wird sogar bezahlt, wenn die Bundesagentur eine Sperrzeit beschieden hat. Voraussetzung dafür ist die Erwerbsfähigkeit – diese besteht für alle die über drei Stunden am Tag arbeiten können – und die Hilfebedürftigkeit.
Muss ich mit einer Sperrzeit oder Sanktion rechnen?
Für das Arbeitslosengeld I gilt diesbezüglich der § 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III. Danach wird eine Sperrzeit ausgelöst, wenn das Arbeitsverhältnis durch den Arbeitnehmer selber gelöst wurde (Kündigung oder Aufhebungsvertrag) oder arbeitsvertragswidriges Verhalten vorlag. Eine Sperrzeit würde in diesem Fall 12 Wochen dauern und für diese Zeit zu einem kompletten Verlust von Leistungen führen. Zudem wird die Gesamtdauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld I um ein Viertel gekürzt, § 148 Abs. 1 Nr. 4 SGB III. Letzteres macht sich gerade bei langjährig Beschäftigten bemerkbar, deren Anspruch auf Arbeitslosengeld über 12 Monate beträgt, s. § 147 Abs. 2 SGB III. Dann beträgt die Sperrzeit zwar 12 Wochen, die Anspruchsdauer wird aber noch weiter verkürzt (z.B. bei einem Anspruch von 24 Monaten um 6 Monate auf 18 Monate).
Vorsicht! Wer eigenständig kündigt riskiert eine Sperrzeit! Auch ein Aufhebungsvertrag führt zu einer solchen, da der Arbeitnehmer diesem ja aktiv zustimmt.
Fraglich ist, ob ein solches arbeitsvertragswidriges Verhalten im Falle der fehlenden Impfbereitschaft vorliegt. Dafür müsste die Impfung als arbeitsvertragliche Pflicht angesehen werden. Wie oben unter Punkt D. zur verhaltensbedingten Kündigung ausgeführt, wird dies hier nicht so gesehen. Daher läge auch kein durch eine Sperrzeit sanktionierbares arbeitsvertragswidriges Verhalten vor.
Allerdings könnte die mangelnde Impfbereitschaft als Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht zur Aufrechterhaltung der Arbeitskraft eingeordnet und damit ein vertragswidriges Verhalten hergeleitet werden. Eine schwer begründbare Ansicht, aber dennoch nicht auszuschließen Es muss daher damit gerechnet werden, dass Sperrzeiten seitens der Bundesagentur für Arbeit ausgesprochen werden und es ist sehr zu empfehlen, gegen diese vorzugehen.
Für das Arbeitslosengeld II wiederum gelten die §§ 31 ff. Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Darin ist die gleichzeitige Verhängung einer Sanktion durch das Jobcenter neben einer Sperrzeit durch die Arbeitsagentur nicht nur möglich, sondern sogar explizit vorgesehen, § 31 Abs. 2 Nr. 3 SGB II. Zudem kann auch bei fehlendem Bezug von Arbeitslosengeld I auf die fiktiv mögliche Sperrzeit abgestellt werden, § 31 Abs. 2 Nr. 4 SGB II.
Folge wäre eine Minderung der Leistungen für 3 Monate um 30 % des maßgebenden Regelbedarfs (133,80 € weniger bei einer alleinstehenden Person), §§ 31a Abs. 1 Satz 1, 31b Abs. 1 Satz 3 SGB II. Da die Voraussetzungen der Sperrzeit aber, wie ausgeführt, höchst fragwürdig sind, sollte auch gegen eine Minderung durch das Jobcenter vorgegangen werden.
In beiden Fällen bleibt ein Krankenversicherungsschutz übrigens bestehen!
Daneben hat das Jobcenter sogar die Möglichkeit, die kompletten Leistungen wieder zurück zu verlangen. Dies sehen die Regelungen der §§ 34 und 34a SGB II vor. In der Regel wenden die Jobcenter diese Regelungen aber frühestens dann an, wenn der Leistungsbezug wieder beendet wird.
Da alle Einschränkungen der Leistungen und auch die Rückforderung von Leistungen an der Rechtmäßigkeit der Impflicht hängen, wird auch aus diesem Grund empfohlen, sich gegen das Betretungsverbot zu wehren!
F. Schlussbemerkung
Am 22. Dezember 2021 führte Professor Hendrik Streeck, Virologe und Mitglied des Expertenrats der Bundesregierung, bei N-TV Folgendes aus:
»Ich sehe das sehr skeptisch, dass man jetzt anfängt, auch schon über eine vierte Impfung zu reden. Im Grunde können wir nicht mit einem Impfstoff arbeiten, der alle 6 Monate gegeben wird. Weil wir dann uns eingestehen müssten, daß der Impfstoff nicht gut funktioniert… Ich finde da auch die Diskussion um die Impfpflicht etwas überraschend bei einem Impfstoff, wo wir weder die Schutzdauer, die Schutzwirkung oder aber auch sagen können, welche Varianten im Moment abgedeckt werden von einem Impfstoff oder nicht und wie oft der angepasst werden wird. Dahingehend kann man ja gar keine Empfehlungen aussprechen, die langfristig sind. Anders verhält es sich bei Impfstoffen wie gegen Masern oder damals gegen Pocken, wo wir eine Impfpflicht hatten. Wo wir aber auch entweder das Virus ausrotten konnten oder potentiell das Virus ausrotten können. Wo wir eben einen dauerhaften Schutz haben und auch eine sterile Immunität, also einen Schutz vor der Infektion.«
Quelle: https://www.n-tv.de/mediathek/videos/panorama/Zwei-Booster-pro-Jahr-hiesse-Impfstoff-ist-nicht-gut-article23015759.html (abgerufen am 24. Dezember 2021, 17:12 Uhr)
Auch wenn Professor Streeck anschließend für den „Booster“ warb und sich auf die allgemeine Impfpflicht bezieht und im Konjunktiv spricht, Tatsache ist: Die Corona-Impfstoffe sind Impfstoffe, die nicht (gut) funktionieren. Geimpfte können sich anstecken und die Infektion auch weitergeben. Zudem gibt es gravierende Nebenwirkungen und die Langzeitfolgen der Impfstoffe sind unbekannt. Daher ist weder eine allgemeine Impfpflicht noch eine Impfpflicht für das Gesundheitspersonal als erforderlich oder verhältnismäßig zu bewerten.
Quelle
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