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Ein Gericht weigert sich, seine Richter in Betreuungsangelegenheiten in Pflegeheime zu schicken, da es den Richtern nicht zumutbar sei, sich täglich, von nicht medizinischen Personal, einem körperverletzenden, schmerzhaften und überdies höchst gefährlichen Test mit Nasenabstrich auszusetzen.

Von Corona Blog Beitragsdatum 22. April 2021

„Vor dem Gesetz sind alle Menschen gleich“. Aber manche sind gleicher als andere. Ist da etwas dran?

Für eine betreuungsrechtliche Angelegenheit, muss der Richter auch schon mal in eine Senioreneinrichtung, um sich ein Bild vom Zustand des Klienten zu machen, bevor diesem ein Betreuer zugewiesen wird. Das Amtsgericht Meiningen hat nun aber diese Tätigkeit abgelehnt, da sich auch der Richter vor Betreten der Einrichtung testen lassen muss – AG Meiningen – Az.: 3 XVII 234/19 – Beschluss vom 18.01.2021.
Die Ausführungen und Begründungen sind in Anbetracht dessen, dass diese Tests in vielen Krankenhäusern, Senioreneinrichtungen, Behinderteneinrichtungen und ambulanten Pflegediensten mehrmals die Woche zur Anwendung kommen, ohne hinterfragt zu werden, beachtlich und zeigt, dass Richter wenn es um das eigene Wohl geht, sehr wohl Recht sprechen – wir möchten hier selbstverständlich nicht alle Richter in einen Topf werfen siehe das Netzwerk „Krista“.Vor dem Gesetz sind alle gleich.Aber manche sind gleicher als andere.

Von dem Gericht wird angeführt, dass von der Einrichtung Abstriche, von nur unterwiesenem Personal, aus dem Nasenrachen entnommen werden. Das heißt also, dass das Gericht für sich nur medizinisch ausgebildetes Personal für die Tests in Betracht zieht und da dieser Arztvorbehalt aufgrund des Gesetzgebers seit 18.11.2020 entfällt, ein Test für Richter unzumutbar ist.

Wie die Erfahrungen des Gerichts in den ersten Tagen nach Inkrafttreten des § 9a der Dritten Thüringer SARS-CoV-2-Sondereindämmungsmaßnahmenverordnung zeigen, handelt es sich bei den von der Einrichtung der Pflege durchgeführten PoC-Antigen-Tests, deren Auswertungen in der Regel bis zu einer Stunde in Anspruch nehmen, ausschließlich um Tests, die einen Abstrich aus dem Nasenrachen voraussetzen, der durch ein Einführen eines Teststäbchen gewonnen wird.
Bei den den Abstrich nehmenden Personen handelt es sich zum Teil um nicht medizinisch ausgebildetes Personal, welches lediglich eine Unterweisung im Umgang mit dem jeweiligen Testverfahren erhalten hat. Das beruht darauf, dass der Bundesgesetzgeber mit dem Dritten Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 18.11.2020 (BGBl. 2020, 2397) geregelt hat, dass der Arztvorbehalt für Schnelltests entfällt und diese Tests grundsätzlich durch entsprechend geschultes Personal angewendet werden können.

Weiter führt das Gericht wie folgt aus:

Es kann von einem Richter nicht verlangt werden, dass er unter Umständen gleich mehrmals am Tag eine Körperverletzungshandlung an sich duldet, bei der zudem ein Risiko des Eintritts eines Körperschadens besteht, nur um die Durchführung einer Diensthandlung (Anhörung und persönliche Eindruckverschaffung in der üblichen Umgebung des Betroffenen im Sinne der §§ 278 Abs. 1, 319 Abs. 1 FamFG) zu ermöglichen. Das ist mit dem nach Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG verfassungsrechtlich verbürgten Recht auf körperliche Unversehrtheit schlichtweg unvereinbar und im Übrigen auch nicht verhältnismäßig.

Es wird auch auf Schmerzen durch den Test eingegangen:

Das Gericht hat persönlich die Erfahrung gemacht, dass die Abstrichnahme auf diese Art nicht nur zum Zeitpunkt der Vornahme des Abstrichs erheblich schmerzhaft sein kann, sondern zum Teil auch noch Stunden danach Schmerzen infolge des körperlichen Eingriffs bestehen. Das Gericht hat sich deshalb zu dieser Abstrichmethode ärztlich fachkundig beraten lassen. Danach besteht bei einem nicht korrekt durchgeführten Nasenrachenabstrich die Gefahr erheblicher Verletzungen, insbesondere dann, wenn der Abstrichtupfer in der Nase nach oben in Richtung der Schädelbasis geschoben wird, da die Rhinobasis hier stellenweise nur einen papierdünnen Knochen darstellt. Nicht korrekt ausgeführte Abstriche bergen daher die Gefahr von Verletzungen von Nasenstrukturen und Schädelbasis (vgl. dazu auch Niederberger-Leppin /Luxenberger, Korrekte Technik und Risiken der Abstrichentnahme aus dem Nasenrachen).
Gerade bei Personen mit einer veränderten intranasalen Anatomie, die das nichtmedizinische und nur „geschulte“ Personal schon nicht erkennen kann, kann ein Nasenabstrich erhebliche Komplikationen hervorrufen (vgl. hierzu Lorenz, Liquorverlust nach Nasen-Rachen-Abstrich). In jedem Fall ist ein solcher Nasenabstrich unangenehm (vgl. hierzu Pressemitteilung der Charité vom 11.12.2020, ANTIGENTESTS: WÄREN SELBSTABSTRICHE ZUVERLÄSSIG?).

Hier der 4 minütige Ausschnitt aus der Sitzung des Corona-Ausschusses von Dr. Justus Hofmann, ab Min. 1:23:00 – 1:26:45.