Gesehen bei Reitschuster
Von Christian Euler
Als „unsichtbare Welle“ oder „neue Herausforderung“ werden sie gerne in den Medien hochstilisiert. Die für ihre harte Linie bekannte Helmholtz-Virologin Melanie Brinkmann hält gar den „Wettlauf für längst verloren.“ Während sich immer deutlicher abzeichnet, auf welch tönernen Füßen das Narrativ steht, um das sich die Gefährlichkeit der Mutationen rankt, stehen die Gewinner längst fest. Für die globalen Pharmakonzerne entsteht ein Markt, der ungleich rentabler sein könnte als die aktuelle, weltumspannende Impfkampagne.
„Die Erkenntnis, dass die vorhandenen Impfstoffe gegen manche Virus-Mutationen unzureichend wirken, ändert grundlegend die kommerzielle Bedeutung“ bringt es Geoffrey Porges, Pharma- und Biotech-Analyst bei der Investmentbank SVB Leerink, auf den Punkt. Die Hoffnung, dass die Coronakrise mit einer großen Impfkampagne beendet werden könnte, ist spätestens mit der Entdeckung der Mutanten erstickt worden – und spielt den Pharma-Firmen in die Karten.
Der britische Gesundheitsminister Nadhem Zahawi räumte bereits ein, dass sich Großbritannien auf jährlich wiederkehrende Corona-Impfkampagnen vorbereitet – die turnusmäßigen Grippeimpfungen lassen grüßen. Zwar beherrscht derzeit noch die vielerorts sehr schleppende erste Impfkampagne die Debatte, doch die meisten Regierungen dürften dem britischen Beispiel bald folgen. Hier entsteht ein Markt, den Analysten-Schätzungen auf bis zu 23 Milliarden Dollar taxieren – jährlich wohlgemerkt.
Pfizer kündigte bereits an, den Preis zu erhöhen. Das lässt die Kassen klingeln, denn die Marge ist enorm: Aktuell ruft der US-amerikanische Pharmagigant in seinem Heimatmarkt 19,50 Dollar pro Corona-Impfdosis auf. AstraZeneca plant eigenen Angaben zufolge mit weniger als vier Dollar pro Spritze – während Johnson & Johnson avisiert, seinen Single-Shot-Impfstoff für weniger als 10 Dollar anzubieten. Vor diesem Hintergrund verwundert kaum, dass Pfizer Anfang dieses Monats bekannt gab, zusammen mit der deutschen Biotech-Firma Biontech im kommenden Jahr weltweit rund 15 Milliarden Dollar mit dem gemeinsam entwickelten Corona-Impfstoff umzusetzen – ohne das Geschäft mit den Mutationen.
Nun lockt einer weiterer Multi-Milliarden-Markt: Die neue mRNA-Technologie, die Pfizer gemeinsam mit Biontech und Moderna erstmals zur Zulassungsreife brachte, gilt als hoch effizient. Branchenkenner Porges geht davon aus, dass mit diesem Verfahren ein Nachfolgeimpfstoff innerhalb von nur drei bis sechs Monaten auf den Markt gebracht werden könnte.
Positiv auf die Gewinnspanne wirkt sich aus, dass der Entwicklungsaufwand für leicht adaptierte Vakzine gering ist, nachdem die Forschung sowie die aufwändigen Tests für die Grundwirkstoffe dank – steuerfinanzierter – staatlicher Milliardensubventionen bezahlt sind. Allein die Mainzer Firma Biontech, deren Impfstoff von Pfizer weltweit vertrieben wird, erhielt rund eine halbe Milliarde Euro aus der Staatskasse. Auch die Zulassungsbehörden spielen mit: Zwar gibt es von den in Europa und den USA noch keine Vorgaben. Klar ist jedoch, dass sie bei jährlich angepassten Grippeimpfstoffen wohl kaum regelmäßig anspruchsvolle klinische Studien einfordern.
Der Startschuss zur nächsten Runde im Milliarden-Poker ist bereits gefallen. Der britisch-schwedische Branchen-Bolide Astrazeneca hat bereits angekündigt, schon im Herbst einen auf die sich derzeit verbreitenden Mutationen abgestimmten Nachfolgeimpfstoff am Markt lancieren zu wollen. Unterdessen hat das Tübinger Biotech-Unternehmen Curevac, deren erster Corona-Impfstoff noch gar nicht zugelassen ist, bereits mit dem Pharmariesen Glaxosmithkline eine Vereinbarung über die Entwicklung eines Nachfolgers geschlossen.
Mit Großbritannien hat man bereits einen Großkunden in spe. Vor knapp zwei Wochen meldete Curevac – an dem auch der Bund maßgeblich beteiligt ist – den Abschluss eines Abkommens, das die gemeinsame Forschung und die Lieferung von 50 Millionen Impfdosen im Fall einer erfolgreichen Zulassung vorsehe. Falls neue Varianten auftreten, sollten rasch angepasste Impfstoffe zur Verfügung stehen. Die Vakzine der nächsten Generation würden auf britischem Boden produziert.
Die Corona-Variante, die derzeit unter dem Kürzel B.1.1.7 durch die Medien geistert, wird uns weiter in Atem halten, auch wenn es an evidenzbasierten wissenschaftlichen Erkenntnissen mangelt. Gut fürs Business der großen Impfstoffhersteller, die ihre ersten Gewinne selbst dann eingefahren haben werden, wenn sich die Panik vor den Mutationen als Chimäre erweist.
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