Impflinge absichtlich schwach infizieren, Abwehrkräfte aktivieren, immun machen: Dieser Logik folgen auch Covid-19-Schutzimpfungen. Wer haftet im Fall des Falles, sollten Impfschäden entstehen und wie hoch ist der Schadenersatz?
Während viele auf ihre COVID-19-Impfung warten, läuft parallel die Diskussion über mögliche Impfschäden. Im Internet kursieren Videos von zitternden Geimpften mit neurologischen Schäden, von Todesfällen im Zusammenhang mit der Impfung ist die Rede. Skeptiker meinen, es gehe zu schnell, die Vakzine seien genmanipuliert, die Wirkung ließe sich noch gar nicht abschätzen. Zudem verunsichern Berichte über Senioren, die trotz Impfung an Covid-19 gestorben sind, weil der Schutz nicht sofort nach der ersten Impfdosis einsetzt. Dass ausgerechnet viele Angehörige der Heilberufe sich bislang nicht impfen lassen, trägt sicherlich ebenfalls zur Impfskepsis bei. Zwar beteuern Hersteller, Impfärzte und Politik die Unwahrscheinlichkeit von Impfschäden auch bei der COVID-19-Schutzimpfung. Trotzdem spricht zum Beispiel der Bund der Versicherten von einem „mulmigen Gefühl wegen möglicher Nebenwirkungen“. Und das mit Recht, denn jede Impfung beinhaltet eine Güterabwägung, der wir nicht entkommen können: Wieviel persönliches Risiko ist uns die Aussicht auf künftige Immunität wert ?
Impfschäden sind unwahrscheinlich, kommen aber vor
Viele der Bedenken können entkräftet werden. So erklärt sich etwa das Rekordtempo der Impfstoffentwicklung nicht durch mangelnde Sorgfalt, sondern parallele und überlappende Prozess-Schritte. Klar ist aber auch: Langzeitbeobachtungen von Nebenwirkungen fehlen somit.
Dass sie vorkommen können, zeigten in der jüngeren Vergangenheit Impf-Komplikationen bei der sogenannten „Schweinegrippe“. Sie kann in seltenen Fällen die Schlafkrankheit auslösen, der dagegen entwickelte und eingesetzte Impfstoff Pandemrix allerdings auch. Im Rahmen der Impfaktion in 2010/2011 wurden dem Paul-Ehrlich-Institut 86 Verdachtsfälle gemeldet, was auch den deutschen Bundestag im Rahmen einer kleinen Anfrage beschäftigte.
Anders als bei längst bekannten und gut erforschten Impfungen wie z.B. gegen Masern sind die Folgen der neuen COVID-19-Schutzimpfungen naturgemäß noch wenig bekannt. Bei den Haftungsregeln im Schadensfall greift hingegen ein erprobtes Regelwerk.
Wann liegt ein Impfschaden vor ?
Schutzimpfungen können negative wirtschaftlichen und gesundheitlichen Folgen haben – für den Geimpften selber, seine Angehörigen aber auch für unbeteiligte Dritte, die durch „vermehrungsfähige Erreger“ des Geimpften infiziert wurden. Ein „Impfschaden“ ist nach der gesetzlichen Definition in § 2 Nr. 11 Infektionsschutzgesetz (IfSG) „die gesundheitliche und wirtschaftliche Folge einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehende gesundheitlichen Schädigung durch die Schutzimpfung“, die zu einer dauerhaften (länger als sechs Monate andauernden) gesundheitlichen Schädigung führt.
Schadenersatz für „Impfschäden“ gibt es grundsätzlich also nur, wenn Impfkomplikationen das übliche Ausmaß einer Impfreaktion (Schmerzen im Arm, Blutergüsse usw.) übersteigen, etwa Hirnschäden mit Bewegungsstörungen als Folge einer Impfung gegen Kinderlähmung. In vielen Urteilen haben die Sozialgerichte bereits solche Impfschäden bejaht, für COVID-19-Schutzimpfungen naturgemäß noch nicht.
Beweislast liegt grundsätzlich beim Geschädigten
Wer Schadensersatz will, trägt die Beweislast, muss also zeigen, dass der eingetretene Schaden mit „Wahrscheinlichkeit“ auf die sattgefundene Schutzimpfung zurückzuführen ist. Ob mehr für einen Ursachenzusammenhang zwischen Impfung und Schaden spricht, als dagegen, ist im Alltag genau der Streitpunkt, der vor Gericht landen kann. Aus Sicht der Geschädigten kann dies viel Zeit kosten, da die Gerichte auf Fachgutachten angewiesen sind. So mussten Impfopfer der sogenannten „Schweinegrippen-Impfung“ über 5 Jahre auf ein Gutachten des zuständigen Paul-Ehrlich-Institutes warten, bis ein ursächlicher Zusammenhang bestätigt wurde.
Wer haftet für mögliche Impfschäden einer COVID-19-Schutzimpfung ?
Klar ist: Die Bundesregierung und die Länderregierungen empfehlen die Schutzimpfungen gegen COVID-19, über eine Impfpflicht wird sogar bereits ernsthaft diskutiert. Durch diese eindeutigen öffentlichen Aussagen sind die Voraussetzungen des § 60 Infektionsschutzgesetz erfüllt. Weil der Impfwillige sein Impfrisiko für den eigenen, aber auch den Schutz der Allgemeinheit auf sich genommen hat, gewährt sie ihm Schadenersatz, wenn es aufgrund dieser „Aufopferung“ zu negativen gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen kommen sollte. Aus Patientensicht ist also die Bundesrepublik Deutschland mit ihren staatlichen Organen der Ansprechpartner für einen Antrag auf Versorgungsleistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz. In Bayern wenden sich Betroffene an die für sie zuständige Regionalstelle des Zentrum Bayern Familie und Soziales.
Hersteller und Arzt haften auch
Das bedeutet jedoch nicht, dass die Impfstoffhersteller oder Ärzte und Impfpersonal nicht regresspflichtig sind. Für Hersteller gelten die Regelungen des Produkthaftungsgesetzes , des Arzneimittelgesetzes sowie die allgemeinen Haftungsregelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches.
Auch der behandelnde Arzt oder beteiligtes Klinikpersonal können in Haftung genommen werden, wenn die Impfung nicht sorgfältig und nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft durchgeführt wird. Diese Anforderungen sind nicht trivial. So hat der Arzt z.B. vergangene Krankheiten zu identifizieren, die möglicherwiese impfunfähig machen sowie eine Tauglichkeitsprüfung unmittelbar vor der Impfung durchzuführen. Des weiteren muss er auch über alle Risiken und Nebenwirkungen in der Zukunft aufklären. Offizielle Informationsquelle ist das Bulletin zur Arzneimittelsicherheit von Paul-Ehrlich-Institut und Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. Inwieweit grobe Behandlungsfehler vorliegen, bei denen der Arzt seine Unschuld beweisen muss, wird bei COVID-19 wahrscheinlich noch ein Fall für die Gerichte werden.
Ärzte müssen sich ausreichend versichern. Im Schadensfall könnten die Versicherer jedoch einen wissentlichen Pflichtverstoß unterstellen um leistungsfrei zu bleiben. Dr. Johannes Fiala, Verbraucheranwalt
Wichtig zu wissen für Geschädigte, die einen öffentlich-rechtlichen Entschädigungsanspruch geltend machen: Ihre zivilrechtlichen Ansprüche treten sie mit ihrer Antragstellung ab an das entschädigungspflichtige Bundesland.
EU-Verträge: Haftungsklauseln mit Herstellern noch intransparent
In diesem Zusammenhang interessant ist die Ausgestaltung der Verträge zwischen Europäischer Union und Herstellern eines COVID-19-Impfstoffes (Biontech/Pfizer, Moderna, Astrazeneca, Johnson&Johnson, Sanofi). Aus Haftungsgründen hatte sich die EU -anders als Großbritannien- gegen eine schnellere, sogenannte Notfallzulassung der Impfstoffe entschieden. Auch nach zögerlich gewährter Akteneinsicht Mitte Januar durch ausgewählte EU-Parlamentarier bleiben Haftungsfragen dennoch unklar. Nach Sprecheraussagen vom September 2020 liege die Haftung weiterhin bei den Unternehmen. Dies würden jedoch von den Mitgliedsstaaten „unter bestimmten und strengen Bedingungen entschädigt“.
Und wie hoch ist ein möglicher Schadenersatz ?
Im internationalen Vergleich ergeben sich sehr unterschiedliche Vorgehensweisen. Schweden bot Impfopfern während der Schweinegrippe 311 anerkannten Geschädigten maximal eine Million Euro pro Patient. In den USA übernimmt der Staat die Gefährdungshaftung. 2019 wurden pro Impfschaden durchschnittlich 259 000 US-Dollar pro Person gezahlt.
In Deutschland gibt es zum Ausgleich der Folgen einer dauerhaften gesundheitlichen Schädigung eine Reihe staatlicher Entschädigungsleistungen, die je nach Fallgestaltung abgerufen werden können. Kernstück ist eine Grundrente von € 156 bis € 811 monatlich. Hinzu können verschiedenen Zulagen bis maximal monatlich € 626 kommen. Wer berufliche Einkommenseinbußen durch einen Impfschaden erleidet, kann einen Anspruch auf Ausgleich des geminderten Einkommens durch den sog. Berufsschadensausgleich haben. Dieser berechnet sich im Einzelfall nach der Berufsschadenausgleichverordnung. Diese müssen im Einzelfall berechnet werden.
Bis 15 000 Euro im Monat – im theoretischen Ausnahmefall
Nachfolgend ein Rechenbeispiel für einen konstruierten Ausnahmefall:.
Die Person wurde als Kind geschädigt. Es besteht ein Anfallsleiden mit schweren zerebralen und kognitiven Einschränkungen sowie schwerste Pflegebedürftigkeit (Fremdbetreuung rund um die Uhr). Es wurde ein Grad der Schädigungsfolgen 100 anerkannt. Die Person erhält folgende monatlichen Leistungen:
• Grundrente 811 €
• Schwerstbeschädigtenzulage 578 €
• Pflegezulage-/beihilfe 1.706 €
• Erhöhungsbetrag Pflegezulage 9.620 €
• Pauschalbetrag für Kleiderverschleiß 151 €
• Ausgleichsrente 811 €
• Berufsschadensausgleich 1.300 €
Summe der monatlichen Versorgungsleistungen: 14.977 €
(Quelle: ZFBS Zentrum Bayern Familie und Soziales, Januar 2021)
Hinzu kommen:
• Leistungen der Heil-und Krankenbehandlung (z.B. Logopädie-Sitzungen), die vom ZBFS mit den zuständigen Krankenkassen abgerechnet werden,
• Hilfsmittelversorgung (z. B. Spezialbett, Kommunikationsmittel mit Augensteuerung, Inkontinenzversorgung),
• weitere bedarfsabhängige besondere Leistungen im Einzelfall
Versicherer warnen
Das Beispiel zeigt auch, wie kostenintensiv ein Impfschaden werden kann. Wie beschrieben, ist diese üppige Entschädigung jedoch nicht die Regel sondern die Ausnahme. Daher warnt der Bund der Versicherten vor den Risiken einer Unterdeckung der Verbraucher. Weil das SARSCoV-2-Virus in vielen Versicherungstarifen kein Bestandteil sei, lohne ein Blick ins Kleingedruckte. Die Risikolebensversicherung sichert die Hinterbliebenen im Todesfall auch durch Impfschaden. Arbeitskraftabsicherung durch eine Berufsunfähigkeitsversicherung könnte sich bei einem Impfschaden auch als willkommene Unterstützung erweisen. Allerdings sollte vor Abschluss unabhängig geprüft werden, inwieweit Vorerkrankungen zu höheren Prämien oder gar zu Leistungsausschluss bei Impfschäden führen können.
Verwirrung um Kassenleistungen
Die Techniker-Krankenkasse (TK) hat unterdessen mit einer Falschmeldung für Verwirrung gesorgt. Zunächst wurde die Übernahme von Behandlungskosten verneint, dann aber doch bestätigt:
Treten in Folge der Impfung gegen das Coronavirus in Einzelfällen Impfschäden auf, übernehmen wir die entsprechenden Behandlungskosten selbstverständlich über die Versichertenkarte. Anne Wunsch, Pressesprecherin Techniker Krankenkasse
Auch der AOK-Bundesverband bestätigte mittlerweile, dass die Behandlung eines Impfschadens eine „Leistung zur Behandlung einer Krankheit“ sei, die von der AOK über die Versichertenkarte übernommen werde. Die entstandenen Behandlungskosten würden im Nachgang mit der zuständigen Behörde abgerechnet.
Wichtig zu wissen: Behandlungskosten sind keine Folgekosten. Für sie gelten die oben ausgeführten bundesrechtlichen Regelungen.
Hinterlasse einen Kommentar
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar schreiben zu können.