pfmGesundheit 23. September 2021 5 Minutes
Dieses Update schließt Sterbefälle bis zur Kalenderwoche 36 ein. Zusätzlich gibt es zwei neue Abbildungen. Seit Beginn der Impfkampagne starben etwa 31.000 Menschen mehr als im gleichen Zeitraum 2020 und etwa 29.000 mehr als im Mittel dieses Zeitraums über die Jahre 2017 bis 2020. Im Vergleich zu 2020 tragen die Hochbetagten, also die Gruppe über 85 Jahre, kaum zur Übersterblichkeit bei. Sehr wohl aber im Vergleich zu 2019. Der Trend zur Übersterblichkeit scheint sich leicht auszuweiten. Mittlerweile ist liegen die Sterbezahlen sogar schon deutlich höher als in 2018, als es eine heftige Grippewelle gab.
Von Gastautor Dr. Anton Stein
Anfang August schätzte ich, dass in Deutschland seit Impfbeginn rund 28.000 Menschen mehr als im gleichen Zeitraum 2020 starben. Je nach Zählweise kam ich auf 24.000 bis 33.000 Menschen. Seit der ersten Schätzung sind nunmehr weitere 35 Tage hinzugekommen,
Basis dieser Analyse sind die neuesten Destatis-Tabellen [1], die Sterbefälle bis zum 12. September bzw. zur Kalenderwoche (KW) 36 umfassen. Demnach starben seit Impfbeginn (KW 53 2020) bislang 31.190 Menschen mehr als im vergleichbaren Zeitraum 2020 (ebenfalls 37 Kalenderwochen) bzw. 28.885 Menschen als im Mittel der vergleichbaren Zeiträume 2017 bis 2020.
Alleine schon der Vergleich der Schätzwerte vom August, also rund 28.000, gegen nunmehr 29.000 bis 31.000 deutet an, dass der Trend Richtung Ausweitung der Übersterblichkeit geht. Dabei ist stets zu bedenken, dass von Nachmeldungen und Korrekturen nur das Jahr 2021 und da besonders die letzten Wochen betroffen sind, nicht aber die Vorjahre. Zum Beispiel beträgt das Plus an Todesfällen durch Nachmeldungen zwischen dem 9. August und dem 20. September bei Zählung alleine bis zur KW 26 schon 978. Daher sollten die Schätzungen zu Übersterblichkeit sogar noch als momentanes Minimum verstanden werden.
Eine Ausweitung der Übersterblichkeit deutet auch der Verlauf der Differenzen akkumulierten Todesfallzahlen aus 2020 und 2021 an (Abb. 1). Der Abfall um den Tag 230 wurde durch den Peak der Sterblichkeit während der Hitzewelle um den 12. August 2020 verursacht. Seitdem scheint sich die Sterblichkeit im Vergleich zu 2020 wieder zu beschleunigen.
- Zeitverlauf der Differenz der Sterbezahlen 2021-2020
Zum Vergleich siehe Abb. 1 aus Teil 2 der Serie und Abb. 2 des Updates 2021-09-08. Die letzten beiden Punkte sind neu, alle anderen inklusive aller Korrekturen. Bitte beachten, dass hier, im Gegensatz zu den folgenden Abbildungen, streng die Kalenderjahre 2021 und 2020 gezählt wurden, d.h. ohne die letzte Kalenderwoche des Vorjahres.
Basierend auf „Sonderauswertung Sterbefälle“ vom 21. September 2021, Destatis [1].
Bei den meisten der bisherigen Auswertungen gab es keine relevanten Veränderungen, dafür aber eine Stabilisierung. Ich verzichte daher auf die Neuauflage aller bisherigen Abbildungen und Tabellen.
Bei der Darstellung des relativen Risikos 2021 zu 2020 in Bezug auf Sterbefälle in den jeweiligen Alterskohorten (auf Basis des jeweiligen Bevölkerungsanteils zu Jahresbeginn) gab es leichte Verschiebungen (Abb. 2). Erstmals liegen relativen Risiken (= risk ratio, RR) der Alterskohorten 35-39 und 40-44 numerisch über der 1 (also verhältnismäßig mehr Sterbefälle 2021), die der Kohorte 30-34 Jahre erhöhten sich genau auf die 1, und das RR der jüngsten Altersklasse robbte sich nach oben an die 1 heran. Die Fehlerbalken zeigen allerdings, dass dieser Trend in diesen Altersklassen noch weit weg von statistischer Signifikanz ist. Den stärksten Ausschlag beim RR zeigen die Altersklassen 45-49 mit 6,18% und 75-79 mit 6,13%. Die Übersterblichkeit aller Altersklassen zwischen 45 und 84 Jahren ist statistisch signifikant.
- Relative Sterberisiken 2021 zu 2020 seit Impfbeginn bis zur KW 36
Sowohl für 2021 als auch für 2020 wurde die letzte Kalenderwoche des Vorjahres mitgezählt, mithin die Sterbezahlen über je 37 Wochen. Die Fehlerbalken zeigen die 95% Konfidenzintervalle an. Als Impfbeginn in Deutschland gilt der Sonntag, der 27. Dezember 2020, die KW 53 begann am 28. Dezember 2020. Abweichungen nach oben deuten eine Übersterblichkeit an.
Zum Vergleich siehe Abb. 1 aus Teil 3 der Serie bzw. Abb. 3 des Updates 2021-09-08.
Basierend auf „Sonderauswertung Sterbefälle“ vom 21. September 2021, Destatis [1].
Durch Kommentare zu dieser Serie und eigene Überlegungen angeregt zeige ich nunmehr erstmals den entsprechenden Vergleich 2021 zu 2019 (Abb. 3). Die meistens Punktschätzer liegen ebenfalls über der 1 (d.h. Übersterblichkeit), allerdings überraschen 3 Kohorten (0-29, 30-34 und 80-84) mit negativen Punktschätzern, im Falle der jüngsten Kohorte und der zweitältesten Kohorte sogar mit signifikant negativen Punktschätzern. Ich habe momentan keine Erklärung für diese Phänomene. Vielleicht können die Leser Anregungen geben. Rein mathematisch können solche Abweichungen durch eine Untersterblichkeit in 2021 wie auch eine Übersterblichkeit in 2019 erklärt werden.
Die scheinbar kleine Abweichung im RR bei den über 85jährigen nach oben um 3,42% (Abb. 3) sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass es dabei um ein Plus von rund 21 500 Sterbefällen geht, was sich bei rund 273 000 Sterbefällen in dieser Altersklasse in 2021 natürlich relativiert. Das absolute Plus in diese Altersklasse im Vergleich 2021 zu 2020 (Abb. 2) betrug etwa 13 500 Sterbefälle (bei einem RR von nur 0,22%).
- Relative Sterberisiken 2021 zu 2019 seit Impfbeginn bis zur KW 36
Sowohl für 2021 als auch für 2019 wurde die letzte Kalenderwoche des Vorjahres mitgezählt, mithin die Sterbezahlen über je 37 Wochen. Die Fehlerbalken zeigen die 95% Konfidenzintervalle an. Als Impfbeginn in Deutschland gilt der Sonntag, der 27. Dezember 2020, die KW 53 begann am 28. Dezember 2020. Abweichung nach oben deuten ein Übersterblichkeit an.
Basierend auf „Sonderauswertung Sterbefälle“ vom 21. September 2021, Destatis [1].
Insgesamt bleibt es aber dabei: Sowohl im Vergleich zu 2020 als auch im Vergleich zu 2019 gab es in 2021 eine Übersterblichkeit, und zwar im Bereich von 3 bis 6% über der üblichen Sterblichkeit in fast jeder Alterskohorte.
Weil anscheinend die Schätzer 3-6% Übersterblichkeit bzw. (seinerzeit) rund 28 000 zusätzlicher Tote seit Impfbeginn viele noch nicht beeindruckte, abschließend noch ein Blick auf die Anzahl Verstorbener in den letzten Jahren, alles basierend auf den ersten 36 Kalenderwochen plus der letzten Kalenderwoche des Vorjahres (Abb. 4). Ich denke, dass hier das Problem mit dieser Impfkampagne deutlich wird. Mittlerweile übertrifft die Sterblichkeit im Jahr 2021 sogar jene des Jahres 2018, in der eine heftige Grippewelle wütete. Wie bereits oben geschrieben, sollte bei allen Vergleichen zu den Vorjahren bedacht werden, dass wegen Nachmeldungen und Korrekturen sich die Zahlen für das Jahr 2021 eher noch erhöhen sollten, nicht aber die Zahlen der Vorjahre.
- Anzahl Verstorbener bis zur KW 36, 2017 bis 2021
Für jedes Jahr wurde die letzte Kalenderwoche des Vorjahres mitgezählt, mithin stets die Sterbezahlen über je 37 Wochen.
Basierend auf „Sonderauswertung Sterbefälle“ vom 14. September 2021, Destatis [1].
Referenzen
- Destatis, Sonderauswertung Sterbefälle. Dokument vom 21. September 2021.
https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bevoelkerung/Sterbefaelle-Lebenserwartung/sterbefallzahlen.html.
Quelle
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