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pfmGesundheit 15. April 2021 3 Minutes

Es gibt immer wieder Berichte, dass es Immunflucht durch „Mutationen“ geben könnte. Insbesondere deutsche Medien und einzelne Politiker, die sich der Aktualität halber an laufenden TV-Kameras festschnallen haben lassen, warnen immer wieder vor den „Mutanten“. Sie haben aber keine Fantasy-Romane gelesen und meinen Telekineten und Teleporter, sondern bezeichnen Virus Varianten fälschlich als Mutationen. Da ist es direkt erfrischend einen wissenschaftlichen Artikel zu lesen, der die Bezeichnungen richtig hinkriegt. Und das noch dazu auf einer Webseite eines angesehenen staatlichen Instituts der USA.

https://www.nih.gov/news-events/news-releases/t-cells-recognize-recent-sars-cov-2-variants

Ein Bericht des National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID), das zu den National Institutes of Health gehört, setzt sich mit der Frage der Immunität bei Veränderungen auseinander. Als Ende 2020 Varianten von SARS-CoV-2 (das Virus, das COVID-19 verursacht) auftauchten, kam die Sorge auf, dass sie sich der schützenden Immunantwort entziehen könnten, die durch eine frühere Infektion oder Impfung erzeugt wurde, was eine erneute Infektion wahrscheinlicher oder eine Impfung weniger effektiv machen könnte. Um diese Möglichkeit zu untersuchen, analysierten Forscher des NIAID und Kollegen Blutzellproben von 30 Personen, die sich vor dem Auftauchen der Virusvarianten mit COVID-19 infiziert und davon erholt hatten. Sie fanden heraus, dass ein Schlüssel in der Immunantwort auf SARS-CoV-2 – die CD8+ T-Zelle – gegen das Virus aktiv blieb.

Das haben mehrere andere Institute auch schon herausgefunden und eine ganze Reihe davon wurden veröffentlicht. Einen Überblick über die Studien dazu habe ich hier und hier zusammengestellt

Die NIAID Forscher wollten wissen, ob CD8 positive T-Zellen im Blut von genesenen COVID-19-Patienten, die mit dem ursprünglichen Virus infiziert waren, noch drei SARS-CoV-2-Varianten erkennen können: B.1.1.7, die zuerst im Vereinigten Königreich entdeckt wurde; B.1.351, die ursprünglich in der Republik Südafrika gefunden wurde; und B.1.1.248, die zuerst in Brasilien gesehen wurde. Jede Variante weist Veränderungen im gesamten Virus auf, insbesondere in der Region des Spike-Proteins des Virus, das es zur Anheftung an und zum Eindringen in Zellen verwendet. Veränderungen in dieser Spike-Protein-Region könnten dazu führen, dass das Virus von T-Zellen und neutralisierenden Antikörpern, die von den B-Zellen des Immunsystems nach einer Infektion oder Impfung gebildet werden, weniger gut erkannt wird.

Obwohl Details über die genauen Mengen und die Zusammensetzung der Antikörper- und T-Zell-Antworten, die für eine Immunität gegen SARS-CoV-2 erforderlich sind, noch nicht bekannt sind, gehen die Wissenschaftler davon aus, dass starke und breite Antworten sowohl von Antikörpern als auch von T-Zellen erforderlich sind, um eine wirksame Immunantwort aufzubauen. CD8+ T-Zellen begrenzen die Infektion, indem sie Teile des Virusproteins erkennen, die auf der Oberfläche der infizierten Zellen präsentiert werden, und diese Zellen abtöten.

In ihrer Studie an genesenen COVID-19-Patienten stellten die Forscher fest, dass die SARS-CoV-2-spezifischen CD8+ T-Zell-Antworten weitgehend intakt blieben und praktisch alle Veränderungen in den untersuchten Varianten erkennen konnten. Obwohl größere Studien erforderlich sind, weisen die Forscher darauf hin, dass ihre Ergebnisse darauf hindeuten, dass die T-Zell-Antwort bei Rekonvaleszenten und wahrscheinlich auch bei Geimpften von den in diesen drei Varianten gefundenen Veränderungen weitgehend unbeeinflusst bleibt und einen Schutz gegen neue Varianten bieten sollte.

Leider wird dabei die Rolle des angeborenen Immunsystems immer wieder unterschätzt. In einem Blogbeitrag in Der Standard wird sogar mehr oder weniger unterstellt, dass ein kompetentes Immunsystem eine rechtsradikale Verschwörungstheorie ist. Dabei kann findet man so ziemlich alles was man über das Immunsystem wissen sollte zum Beispiel im Lehrbuch „Biochemie des Menschen“ für angehende Mediziner 3. Auflage im Kapitel 23 „Zytokine – die Botenstoffe der Abwehr“ (Seiten 408 bis 413) und 33 „Das Immunsystem“ (Seiten 577 bis 603) .

Die Fixierung auf Antikörper übersieht, dass diese diese nicht wie der Deus ex machina Viren verschwinden lassen. Sie unterstützen und verstärken vielmehr die unspezifische Abwehr durch Makrophagen, neutrophile Granulozyten, eosinophile und basophile Granulozyten, diverse Zytokine etc, indem es die Antigene in erster Linie markiert. Die unspezifische Abwehr sorgt dann für die Vernichtung und den Abtransport der markierten Antigene und Viren.

Die zytotoxischen T-Zellen hingegen dienen in erster Linie der viralen Abwehr und können ihren Job mehr oder weniger alleine machen – aber nur solange neben den nötigen Transkriptionsfaktoren und Zytokinen u.a. auch genug Vitamin D im Blutplasma vorhanden ist. Da haben offenbar die Verschwörungstheorien schon Eingang in die Lehrbücher der Biochemie gefunden. Obwohl – Biochemie das ist knallharte Naturwissenschaft, zugegebenermaßen eine der komplexesten und kompliziertesten.